utez.de - Ute Ziemes
Brustkrebs-Startseite

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Woche 1
23.05.05 - 29.05.05

Montag,  23.05.05
Heute habe ich gefrühstückt und geschlafen. Dann hatte ich einen gewerblichen Auftrag. Jetzt ist es früher Abend, ich habe frei und sitze auf dem Sofa, habe eben ein Mega-Spezial-Brot gegessen und trinke nun Kaffee und lasse mich von einem TV-Magazin berieseln. Kylie M. hat Brustkrebs. Es wird gezeigt, wie man systematisch seinen Brustbereich nach Knoten abtastet und in welchem Bereich genau Krebs bei Frauen am häufigsten entsteht. Ich stelle meinen Kaffee ab und fasse genau dort an beiden Brüsten einmal kurz hin. - "Oooh. - Ooh Gooott. - Ach, du Scheiße." Ich fühle links ein dickes fettes Geschwür. Das ist längst kein Knoten mehr. Was jetzt ? Ich brauche eine Überweisung. Mist, nun habe ich gerade gegessen und werde gleich schlafen. Die muss ich mir also morgen Nachmittag bei meinem neuen Hausarzt holen.
Dienstag,  24.05.05
Wie jeden Morgen, wenn ich früh zur Arbeit muss und nicht einschlafen darf bzw. nicht um 80 % verlangsamt und um 200 % durch den Kampf gegen das Einschlafen gequält werden will, beiße ich nur einmal in eine Scheibe trockenes Vollkorntoastbrot, trinke 3 Glas Wasser und einen Kaffee. Dann zur Arbeit, also ca. 6 Std. Radfahren. Als ich wieder nach Hause komme, habe ich höllischen Hunger, kann es nicht mehr aushalten und esse. Wie immer, schlafe ich umgehend ein. Als ich aufwache, ärgere ich mich. Zum Glück war es heute ein 2- und kein 4-Stunden-Schlaf. Ich kann also wenigstens noch die Überweisung besorgen und vielleicht habe ich Glück und der Frauenarzt, bei dem ich vor ewigen Zeiten mal war, hat noch auf. Ich kämpfe gegen das Nach-Schlaf-Delirium an. Gehe los, obwohl ich noch lange nicht wirklich wach bin. "Na, waren Sie schon bei den Blutuntersuchungen ? Geht es Ihnen schon besser ?", fragt die Sprechstundenhilfe. "Nein, ich habe noch keinen Termin ausmachen können. Ich vermeide es immer noch, tagsüber zu essen, damit ich arbeiten kann und schiebe Hunger. Und ich bin traurig, weil ich mittlerweile nämlich ganz viel von dem, was ich mir stolz angegessen hatte, wieder abgenommen habe. Ich schaffe es einfach nicht, abends 3 Malzeiten zu mir zu nehmen." " Ohje, das tut mir leid für Sie. Was kann ich für Sie tun ?" "Heute brauche ich dringend eine Überweisung zum Frauenarzt." Die kriege ich schnell. Der Frauenarzt hat schon zu. Bis ich zu Hause bin und mir einen anderen ausgeguckt habe, wird keiner mehr auf haben.
Morgen Nachmittag haben die Ärzte geschlossen. Ich werde also erst Donnerstag hingehen können.
Mittwoch,  25.05.05
Mein Chef erinnert mich daran, dass morgen ein Feiertag ist. Erinnerung ist gut, ich wusste gar nichts davon. Es ist so ein Hat-nicht-jedes-Bundesland-Feiertag. Meine Brille kommt mit sehr klein Gedrucktem nicht klar. Wenn ich dahinter was vermute, nehme ich eine Lupe dazu. Ich hatte aber gar nicht darauf geachtet. "Das bringt jetzt meine Planung dramatisch durcheinander." "Möchten Sie lieber arbeiten ?" "Nein, ich möchte zum Arzt gehen und heute haben die doch schon zu."
Donnerstag, 26.05.05
Kacke, jetzt ist schon Donnerstag. Morgen Nachmittag sind die Praxen wieder zu. Ich suche in den Gelben Seiten nach Frauenärzten in meinen Zustellbezirken. Eine Frauenärztin gibt es da, gleich am Anfang meiner Tour.
Freitag,  27.05.05
Ich informiere meinen Chef, dass ich meine Tour für einen Arztbesuch unterbrechen werde. Es ginge kein Weg daran vorbei, es wäre ein Notfall. "Weil sonst ihre Terminplanung durcheinander kommt?" "Wie?" "Ja, das sagten sie doch letztens, dass der Feiertag ihre Terminplanung durcheinander gebracht hätte, weil sie zum Arzt wollten." "Ja stimmt. Aber es handelt sich um einen Notfall, weshalb ich zum Arzt muss." Er guckt prüfend und sagt dann: "Okay, dann machen Sie das."

An der Praxis steht, dass sie heute geschlossen bleibt. Klar, Brückentage sind auch für Ärzte schön. - Ich habe die Gelben Seiten dabei und suche nach Alternativen. In meinen Zustellgebieten gibt es keine mehr. Aber etliche in der Nähe meiner Wohnung. Ich hetze mich, will schneller mit der Briefzustellung fertig werden. Vielleicht hat einer der Ärzte freitags nicht so früh zu. Mein Chef ist verblüfft, dass ich so früh wieder im Depot erscheine. Ob ich auch beim Arzt war, fragt er. "Nein, der hatte geschlossen, Brückentag. Vielleicht habe ich jetzt noch eine Chance in Ehrenfeld. - Wissen Sie, ich habe ein dickes, fettes Geschwür in der Brust entdeckt, deshalb ist es ein Notfall. Obwohl ich ja hoffe, dass es auch was anderes sein kann als Krebs. Zumal ich es im Zusammenhang mit der Berichterstattung zu Kylie M. entdeckt habe. Das wirkt ja auch auf mich selbst erstmal unglaubwürdig. Aber es ist da und es ist groß und ich will es geklärt wissen. Wenn es das bedeutet, was ich glaube, muss nämlich dringend was unternommen werden, so fett wie das ist."

Nass geschwitzt komme ich in Neuehrenfeld an. Für die erste mögliche Praxis muss ich gleich hier rechts rum. Super, der hat noch 4 Minuten auf. Verdammt, mein Fahrradschloss zickt rum. Nur noch 3 Minuten. Ich klingele. Keiner öffnet. Ich klingele nochmal. Keiner öffnet. Eine Frau neben mir, die vorhin aus genau dem Haus gekommen war, drückt nun auch auf die Klingel. Die Tür bleibt zu. Die Frau ist noch da. Sie dreht sich um und telefoniert mittels Handy. Ich klingele nochmal. Die Tür öffnet sich. Als ich oben ankomme, ist da nur noch der Arzt selbst. Er glaubt, dass ich ihm einen Brief bringe. (Die Tasche, die ich umhabe, identifiziert mich als Briefzustellerin.) "Nein, ich wollte zur Untersuchung." Das ginge nicht; die Sprechstundenhilfe sei bereits weg. "Bitte, nur mal abtasten. Ich habe da ein Geschwür. Ich will heute nur wissen, ob es tatsächlich das bedeutet, was ich befürchte. Ich habe auch eine Überweisung dabei."  "Gut, machen Sie sich frei." Dem Mann ist es restlos egal, dass er in Liter von Schweiß greift. Und er packt nicht nur beherzt zu, sondern macht es genau so, wie ich das im TV gesehen hatte. Erstmals macht das einer so professionell bei mir. "Oh ja, das ist groß", sagt er. Seit wann ich das denn hätte, will er wissen. "Bemerkt habe ich es am Montag. Vorher habe ich jedoch nie getastet."  "Das haben Sie schon lange. Damit kommen Sie spät. - Kommen Sie bitte am Montag-Morgen ganz früh in meine Praxis, um sich eine Überweisung zum Radiologen zu holen. Und kaufen Sie sich dieses Medikament hier, das ist gegen ihre Schmerzen. Das müssen Sie wegen der Mammographie nehmen. Nehmen Sie es ab sofort. Und rufen Sie da jetzt schon mal an, um einen Termin für Montag zu machen. Das ist dringend. Das dürfen Sie jetzt nicht mehr aufschieben. Machen Sie den Termin !" "Ja, mache ich." "Gut, wir sehen uns am Montag. - Und kommen Sie nie mehr so spät mit sowas." Er meint damit nicht die Uhrzeit. Obwohl ich nur das künftig noch vermeiden könnte. Er klopft mir kameradschaftlich auf den Rücken, als ich mich zum Hinausgehen umdrehe. "Bis Montag", sagt er noch. "Machen Sie den Termin."

Einen Termin will mir die Sprechstundenhilfe des Radiologen am Telefon nicht für Montag geben. "Sie können erst im August einen haben." "Hören Sie, ich habe ein dickes , fettes Geschwür in der Brust, ich brauche am Montag den Termin." "Was steht denn auf ihrere Überweisung ?", will sie wissen. "Ich habe noch keine Überweisung, die kriege ich erst am Montag früh, weil heute die Sprechstundenhilfe schon weg war." "Dann melden Sie sich dann nochmal. Ich muss genau angeben, was zu machen ist." "Eine Mammographie ist zu machen."  "Das reicht nicht. Ich muss das schon genauer angeben, sonst kann ich keinen Termin für Sie machen." "Können Sie nicht einfach einen Termin für mich freihalten, sie sehen das doch dann genauer am Montag ?" "Nein, das geht nicht." "Hören Sie, es handelt sich um einen dringenden Verdacht auf fortgeschrittenen Bruskrebs, ich brauche am Montag einen Termin." Ich höre die Person am anderen Ende unsicher werden. "Melden Sie sich am Montag, wenn Sie die Überweisung schon haben, wenn es dringend ist, machen wir ihnen einen umgehenden Termin." "Gut."

Jetzt sitze ich da. Also, was bedeutet das jetzt? Gibt's noch die Chance einer alternativen Diagnose? Das werde ich wohl erst demnächst erfahren. - Viele Untersuchungen? Ernsthafte Krankheit? Behandlungen? Krankenhaus? - Der Job. Der Job wäre dann weg. Ach du Kacke. Ernsthafte Krankheit wäre jetzt ausgesprochen tragisch. - Nee ne, das macht das Schicksal nicht. - Doch, das macht es. - Genau sowas macht es. - Aber, was soll das bringen? - Fahrradtotalschaden, Krankheit, was ist gegen den Job einzuwenden? Glück etwa? - Ach ja klar, Kacke. Verdammt. Und nun?
Samstag,  28.05.05
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Sonntag,  29.05.05
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