utez.de - Ute Ziemes
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Woche 12
08.08.05 - 14.08.05

Montag, 08.08.05

Heute lasse ich mich weiter hängen.
Ich koche jedoch mal wieder. Nicht lecker, aber interessant.
Ich entscheide, nichts zu puschen (Thema Trauer). Vielmehr merke ich abends, dass das Hängenlassen im Moment genau das Richtige ist und ich vertraue mir, auch weiterhin immer sehr bald das Richtige zu tun. Sollte ich die Trauer rausschreien müssen, werde ich das sicher im Laufe der Woche noch machen.
Wegen des Herz-Ultraschall-Termins wurde ich heute nicht angerufen. Morgen Mittag werde ich die telefonisch daran erinnern.
Mein Arm ist schon überraschend beweglich, stelle ich fest, als ich mit links einen Topf oben aus dem Regal hebe. Ich bin auch seitlich bei 90 Grad angekommen. Übungen reichen aber noch.
Als ich meinem ehemaligen Chef in einer Email eine kurze Zusammenfassung des weiteren Therapieablaufs schreibe, kommt dabei etwas sehr Zuversichtliches raus. Aha, denke ich, so sieht das also aus, wenn man alle Wenn und Aber und Schrecken weglässt.
Gymnastik und Narbenpflege vor dem Schlafengehen.
Dienstag, 09.08.05

Ich rufe in der Chemo-Ambulanz an, um nach meinem Herz-Ultraschall-Termin zu fragen.
Sie hätte daran gedacht und eine Anfrage an die entsprechende Abteilung gefaxt, jedoch noch keine Antwort erhalten oder diese noch nicht gesehen, weil sie gestern nicht da gewesen wäre. Sie gäbe mir aber bis abends Bescheid. Wann nochmal der Port gelegt würde? will sie wissen. Freitag. Ultraschall muss also vorher sein.

Die Arbeitsgemeinschaft Köln ruft bei mir an. Es geht um meinen Widerspruch vom Vormonat. Diesbezüglich habe sich doch wohl jetzt alles geklärt oder nicht? fragt der Mann. Nein, sage ich, die ausstehenden Zahlungen seien nicht eingegangen, die errechneten Beträge des Änderungsantrags stimmten auch nicht alle und die dazugehörigen Überweisungen wären wieder ganz anders. Auch würde nicht berücksichtigt, dass ich wieder ohne Anstellung sei und nach wie vor gäbe es das Problem, das ich nicht wisse, wie ich mich vorfinanzieren solle, wenn das Alg erst nachträglich gezahlt würde. Der Mann fragt, ob meine Stelle von Anfang an befristet gewesen wäre. Ich sage: "Nein, ich bin an Krebs erkrankt, weshalb mir innerhalb der Probezeit gekündigt wurde." "Ach so", sagt er. "Ja, dann müssten wir ja mal sehen, da ist ja dann ggf. auch ein Mehrbedarf geltend zu machen." (Hört! Hört!) Wir vereinbaren, dass ich Donnerstag um 11 Uhr bei ihm vorbeikomme. Morgen ginge es nicht, weil die nicht wie die AA, sondern wie das Sozialamt geöffnet hätten, also mittwochs nicht erreichbar wären, sagt er. Aha, das wusste ich gar nicht. Ich solle die Kündigung und Kontoauszüge mitbringen. Die Kündigung haben sie schon, sage ich. Ja, das mag sein, aber das Haus wäre groß, wer wisse schon, wo die nun sei, sagt er. Laut seinen Unterlagen wäre das, was bei mir nicht eingegangen wäre, sehr wohl bezahlt. Deshalb bräuchte er die Kontoauszüge. Ich bedanke mich zum Abschluss dafür, dass er sich gemeldet hat.

Nachmittags ruft die Ärztin der Chemo-Ambulanz zurück. Der Ultraschall-Termin sei Donnerstag um 13.15 Uhr im Bettenhaus. Ich soll mir vorher bei ihr einen Überweisungsschein abholen.
Ich frage, was nochmal wofür täglich in den Bauch gespritzt werden soll und ob ich die Tabletten + Tropfen für den Magen selbst besorgen muss oder von ihr (verschrieben) bekomme. Bei den Spritzen ginge es um die Anregung des Knochenmarks, weiße Blutkörperchen zu produzieren. Es würde Neulasta gespritzt. Man müsse nicht täglich spritzen, sondern nur jeweils am Tag nach dem Zyklus. Das sei bei meiner Medikation obligat. Im Falle eines Absinkens der Werte könne man außerdem nochmal eine 5-Tage-Spritzen-Aktion einschieben. Und es könne auch sein, dass die roten Blutkörperchen schlapp machten, auch dann müsse etwas gespritzt werden. Wie man spritzt, würde sie mir zeigen, wenn ich das nicht wolle, könne man eine Alternative finden. Alles zum Spritzen bekäme ich da. Für die Tabletten und Tropfen würde sie mir ein Rezept fertig machen, das ich am Donnerstag gemeinsam mit der Überweisung zum Ultraschall abholen könnte. Es mache Sinn, dass ich die Medikamente nicht erst nach der Zyklusgabe einkaufen müsse, sondern dann schon hätte.

Pünktlich zum Chemobeginn kackt mein Fernseher ab. Na toll. Das wird ja eine schöne Zeit. Aber okay, wenn ich Mehrbedarf geltend machen kann, springt da ja vielleicht ein gebrauchter Mini bei raus. Gucke direkt mal bei eBay-Köln. Nur einer komplett mit FB + Handbuch. Der kann teuer werden.

Sortiere meine Tagebuchaufzeichnungen, um das, was noch nicht online ist, vor Chemo zumindest stichwortartig zu umreißen. Sonst vergesse ich frühere Phasen.

Kochen, Gymnastik, Narbenpflege abends.
Den ganzen Tag wenig motiviert, zu egal was.
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Mittwoch, 10.08.05

Morgens als erstes Gymnastik gemacht. Aber wenig motiviert.
Ich fühle mich scheiße. Draußen ist es so kalt und grau wie in mir, wenig tröstlich also.
Ein total verkroster Tag. Außerdem habe ich ein Ziehen im Unterleib. Meine Periode kann es nicht sein. Wahrscheinlich bibbern die Eierstöcke. Bei mir versteht ja jedes Körperteil, was Sache ist.
Jetzt muss ich also vor der Chemo noch meinen Unterleib untersuchen lassen, sonst kann ich nachher gar nicht unterscheiden, was woher kommt. Verdammt, seit hundert Jahren hatte ich da nichts und unbedingt jetzt zickt das rum.
Auch habe ich schon so viel Zeit verloren durch meine Verarbeiterei und wollte doch noch so viel erledigen.
Irgendwann bin ich höllisch depressiv.
Also doch eine Spur zu lange hängen gelassen? Oder TV-Entzug? Oder verdrängte Trauer? Oder Angst?
Keine Ahnung.
Mann, so blöd habe ich mich aber schon ewig nicht mehr gefühlt. Ich stehe ja neben mir.
Morgen wird alles besser. Dann muss ich viel rumfahren und managen, das bringt mich wieder in Fluss.
"Bewegen Sie sich! Sie sind jemand, der das braucht", hat mal eine Therapeutin zu mir gesagt. Recht hat sie. Sie hat auch gesagt, ich solle mich bloß nicht ohne Aufsicht meiner Fantasie hingeben, davon hätte ich zuviel. Das Wahrnehmen meiner Gefühle in den letzten Tagen ist so ein Fall, bei dem ich, ihrer Meinung nach, hätte aufpassen müssen. Ich drifte dann gern schon mal mit Hilfe von Bereichen ab, die eher dem Unterbewusstsein zuzuordnen sind. Das hat unter Umständen eine gewisse Traumatisierungsqualität. Tja, jetzt weiß ich was sie meint. Besser machen könnte ich es aber immer noch nicht. Da ich prinzipiell an der Fähigkeit sehr hänge und sie auch für vieles nutze, müsste ich eine Gradwanderung lernen.  - Aber klar, stimmt, es geht nur um jetzt. Ich muss es jetzt möglichst ganz unterbinden. Während der nächsten Monate ist das zu heikel. In Krisenzeiten ist das schädlich.
Tja dann: Danke, Frau ... , Jahre später habe ich es begriffen und kann es nutzen.

So, die Narbe wird heute nicht mehr eingeschmiert.

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Donnerstag, 11.08.05

Das ursprüngliche Ziehen in meinem Unterleib wird immer mehr zu einem eindeutigen Schmerz in einem bestimmten Darmabschnitt. Mir fällt der Rest Speck ein, den ich vorgestern Abend mit in die Bratkartoffeln getan hatte. Vor vielen vielen Jahren, als ich mich noch nicht so auskannte mit Lebensmitteln, habe ich schon mal abgelaufenen Speck benutzt, den man mir als frischen verkauft hatte. Da hatte ich auch sowas. Ich suche im Abfall nach der Verpackung. Oh ja, der Termin war schon abgelaufen. Mann, muss ich da abwesend gewesen sein, wenn ich das nicht gesehen, gefühlt und gerochen habe. - Okay, davon sterben tu ich aber nicht.
Immer, wenn Speisen künftig die Stelle passieren, werde ich da vorläufig Schmerzen haben. Im Laufe der nächsten Tage wird das nach und nach weggehen. - Also, auch keinen Speck in Krisenzeiten!


Ich finde eine Unterlage für das Alg II-Gespräch nicht, weshalb ich da anrufe und frage, ob wir das Gespräch verschieben können. Das geht. Montag gleiche Zeit? Nein, ich wünsche mir eine frühere. Geht klar.
Schade, ich hatte das ansonsten so wunderbar vorbereitet.



13.00 Uhr in Chemo-Ambulanz Überweisung zur Herz-Ultraschall-Untersuchung besorgt und Rezepte für die künftig zu nehmenden Tabletten  mitgenommen.


Übrigens habe ich heute noch weitere Behandlungszimmer in der Chemo-Ambulanz entdeckt. Ich glaube, dass ich in so eins komme. Die Leute, die ich sonst nämlich sehe, kriegen eine andere Behandlung, wie ich heute auf deren Zeitplan-Aushang gesehen habe.
Heute saßen in dem Warte- und Behandlungszimmer diverse Kopftüchlerinnen. Und alle holten die beste Laune aus sich raus, um kommunikativ zu sein. Später traf ich eine Anekdotenerzählerin dieser Runde in einem anderen Trakt. Da riss sie sich nicht mehr zusammen, sondern litt vor sich hin. (Kontrolliertes Atmen; verdecken der Augen mit der Hand.) Auch die (zuvor einzig echte) Freude aus ihrem Mann war futsch.

Ich werde da keinesfalls den Clown machen, der erst hinter der Bühne zusammenbricht, soviel steht fest.



13.15 Uhr im Bettenhaus, Ebene 0, zur Herz-Ultraschall-Untersuchung gemeldet.
Komme nach wenigen Minuten dran. Der Arzt spricht leider nicht gut Deutsch, weshalb ich ihn schwer verstehe und es auch keinen Sinn macht, ihn was zu fragen. Ich muss mich auf die linke Seite legen und er geht dann mit dem gegelten Ultraschall-Kopf ständig über meinen operierten Bereich. Besonders die Narbe, die ja noch gar nicht ganz geschlossen, also eine Wunde ist, leidet sehr. Er rubbelt da ca. 15 Min. drauf rum, klickt hin und wieder am PC. Irgendwann stellt er mal den Ton laut und ich höre mein Blut glucksen. - Wow, jetzt noch ein Lichteffekt bitte. - Ich horche. Worauf soll ich achten? Ist da was falsch? Oder besonders gut? Zack, da ist der Ton wieder aus. Irgendwann lässt der Schallkopfbediener von mir ab und legt ein Papiertuch auf meine Brust. (Woher kenne ich das? ;-) Ich wische mir das Gel ab. Als ich damit gerade fertig bin, kommt ein zweiter Arzt und macht nochmal das gleiche wie der erste. Aber ohne Ton. Und er hätte auch gerne über das Gel des Vorgängers gerubbelt. ;-) Das ist ja aber schon weg. Da muss er schon sein eigenes auftragen. - Ich habe Angst um meine Narbe. Ich fürchte, man hat sie mir mittlerweile wieder aufgerissen. Und wie soll ich aus der Wunde das Gel je wieder rauskriegen? Zumal ich ja nachher noch zu zwei Stellen muss. Da kann ich das also auch nicht schnell zu Hause abduschen. Ach, denke ich, die wissen doch wohl hoffentlich, was die da tun und würden was unternehmen, wenn der Wunde die Aktion und das Gel schadeten. - Der Arzt bricht seine Untersuchung ab. "Ach", sagt er, "ist in Ordnung"  und legt mir sein Tuch auf die Brust und den Befund auf den Tisch. Auf die Frage, ob man sehen könne, ob ich schon mal einen Herzinfarkt hatte, gibt er total doofe Antworten. Sinn und Ton etwa so: Was fragst du mich das? Das ist nicht mein Auftrag. Hast du keinen Hausarzt? Ja, doch? Dann frag den doch, blöde Fotze. - Also sollte ich mal was am Herzen haben, gehe ich damit besser nicht in die Uni-Klinik, sonst ... (Das schreibe ich jetzt nicht weiter, weil da schon wieder meine Fantasie aktiv war. Sicher, wie immer, ein treffendes Bild, aber keins, das ich jetzt abrufen können sollte.)
Nachher werde ich dem Befund entnehmen, dass es bei der Untersuchung offenbar ausschließlich darum ging, den Durchmesser eines speziellen Blutgefäßes zu ermitteln. 7-12 mm sei normal, steht da und, dass meins 9 mm hätte.
- Was bitteschön haben die zwei dann da die ganze Zeit gemacht ? - Ich glaub nun nicht mehr, dass die über meine Narbe auch nur eine Sekunde nachgedacht haben.


14.00 Uhr im Bettenhaus, Ebene 6, zum Gespräch bzgl. Port-Anlage gemeldet.
Ich muss im Wartezimmer Platz nehmen. Ungefähr 7 x wird mein Name im Zusammenhang mit meiner Ankunft von verschiedenen Personen über die diversen Flure gerufen. Jetzt weiß wirklich jeder, dass "Frau Ziemes zum Gespräch für eine Port-Anlage eingetroffen" ist. Nein, noch nicht ganz: "Wer?" "Frau Ziemes, Port-Anlage."
Nach ca. 10 Min. holt mich ein junger Mann in OP-Kluft ab. Er stellt sich vor und begrüßt mich mit Handschlag, wie das auf der Station, wie ich schon weiß, immer gemacht wird. Wir gehen in ein Zimmer, in dem wir ungestört reden können. Er fragt mich, für welche Diagnose der Port gelegt wird. Wo und wie operiert wurde, ob Lymphknoten mit befallen waren. Gut, dann müsse der Port über der rechten Brust gelegt werden, meint er. Er beginnt sofort zu erklären, was verlegt wird, wie das dann bei der Chemo funktioniert, was ich damit wann im Alltag kann und was nicht, welche Risiken wie einzuschätzen sind, um wieviel Uhr ich morgen wohin kommen muss und was ich dabei haben sollte. Das habe ich behalten:
Die Port-Anlage heißt wohl nicht nur so, weil sie angelegt wird, sondern, weil es sich um eine ganze Anlage handelt: Ein Zugang mit einer Art Klappe, der unter der Haut versenkt wird und an dem sich Schläuche befinden, die zuvor durch die Venen eingeführt wurden und von zwei Seiten bis nah an's Herz führen.
Um später die Chemo-Infusion zu legen, muss dann der unter der Haut liegende Zugang getastet werden und dann muss da die Infusionsnadel durch die Haut gestochen werden. Alles, was man da nun rein gibt, wird durch die Schläuche direkt zum Herz geleitet, um von diesem sofort überall im Körper verteilt zu werden.
Morgen muss ich mich um 07.30 Uhr an der Zentralen Patientenanmeldung im Erdgeschoss melden und dort einen roten Schein (=Überweisung) sowie einen kleinen weißen Zettel, den er mir nun gibt, abgeben. Die OP ist dann um 8 Uhr, dauert angeblich eine knappe Stunde und wird mit örtlicher Betäubung durchgeführt. (Ich habe angekündigt, dass ich sofort streike, wenn die Betäubung nicht ausreichen sollte.) Der Schnitt wird ca. 4 cm lang sein, 2 Finger breit unter dem rechten Schlüsselbein gesetzt werden und am Schluss genäht werden. Nach der Betäubung sollen die Schmerztabletten reichen, die ich schon habe. Nach 10 Tagen würden die Fäden "gezogen". Wenn der Port nicht mehr gebraucht wird, kann er deimplantiert werden. Dazu schneiden die die verheilte Narbe wieder auf, holen den Krempel raus, nähen wieder zu, "ziehen" die Fäden 10 Tage später und dann muss die Wunde erneut heilen. Wann das sein würde, dass man den Port nicht mehr benötige, ließ er offen. Das würden die in der Frauenklinik entscheiden. Solange man sich nicht sicher sei, dass die Chemo geklappt hätte...  Später wurde mir klar, dass das Ding dann möglicherweise 5-6 Jahre drin bleibt. Denn erst danach kann man ja einen vagen Erfolg beurteilen. - Mediziner scheinen Ports eh zu lieben. So, als würden sie sich wünschen, dass jeder einen hätte. "Den kann man dann ja für alles benutzen, nicht nur für die Chemotherapie. Sogar Blut abnehmen kann man da", strahlte der Arzt mich an. (Ich dachte dabei an meinen Krimi, Kapitel 3. Daran zu denken, wollte ich mir ja aber eigentlich verbieten, siehe Tagebuch 10.08.05.)
Dann habe ich also demnächst da auch noch eine Narbe.

Tanzen dürfe ich nicht zu heftig. Und ob ich dann dazu überhaupt Lust und daran Spaß hätte, bezweifelte er. Dabei würde es nicht um die Schläuche gehen und wohl eher wenig um den Zugang, als vielmehr um die Wunde.
Übrigens hat der Arzt intensiv beraten. Zumindest schien es mir so; denn er hat höllisch viele Eventualitäten aufgezählt und dazu seine Einschätzung der konkreten Gefahr speziell für mich erläutert. - Später fiel mir auf, dass ich so sehr vertraut habe, dass ich nicht annähernd weiß, was ich ihm anschließend überhaupt unterschrieben habe.
Grob gesagt liegen die Risiken im Bereich mangelnder Hygiene beim Verlegen und bei jeder Nutzung und im Bereich Allergie in einem dieser Fälle müsse man mir die Port-Anlage umgehend deimplantieren. (Was dann aus den Entzündungen wird, habe ich vergessen zu fragen. - Obwohl, ich glaube, die müssen dann mit Kontrastmittel die Herde suchen. - Ja, aber dann? - Tja, reingefallen. Er weiß jetzt, dass ich keine Kontrastmittelallergie habe, ich aber nicht, was aus den Entzündungen würde.) Und bei der OP könnte es sein, dass man die Lunge anritzt, weil sie so dicht an der OP-Stelle liegt. Der Lungenflügel würde dann möglicherweise vorübergehend kollabieren, ich hätte Atemnot, der andere Lungenflügel würde das aber schnell  kompensieren. Der kollabierte Lungenflügel würde sich in der Regel von allein wieder weiten, falls nicht, müsse man mir seitlich durch die Rippen eine Drainage legen (durchstoßen mit Katheter) und den Lungenflügel von außen wieder aufpumpen. (Ich habe bei dieser Horrorvorstellung ganz vergessen zu fragen, was denn später aus dem Schnitt in dem Lungenflügel wird.)

Während seines Vortrags wäge ich ständig ab. Wenn ich die Höllenrisiken der Chemo eingehe, brauche ich hier auch nicht zimperlich sein. Aber warum nochmal der Port? Ach so, weil mich die Chemie sonst verätzt. Ja komm, Ute, wenn schon, dann richtig. Soll die Chemie direkt ans Ziel und vorher nichts unnötig zerstören. Wenn ich Glück habe, ist dieser Port eine optimale Lösung für dieses Chemo-Zusatzrisiko.
Mehrmals sagt der Arzt übrigens sowas wie "Sie sind ja noch jung." Aha, hier bin ich auf einmal wieder jung. - Ich verstehe. Wenn Jugend gegen eine Risiko-Angst hilft, sagen die mir, ich wäre jung, wenn Alter gegen eine Risiko-Angst hilft, sagen die mir, dass ich ja nicht mehr so jung sei. Tja, mit meinem Alter können die das machen.
Übrigens hat die Uniklinik (oder speziell diese Abteilung?) bislang ca. 800 Ports gelegt. Das erschien mir wenig.


Nach dem Gespräch zur Chemoambulanz, um dort den Ultraschall-Befund abzugeben und die Überweissung für morgen zu holen. Die Ärztin sagt: "Bis nächste Woche dann, Frau Ziemes, hier in alter Frische." - Tja, letztmalig, denke ich.

Als ich heute die Pillenrezepte abgeholt habe, war da übrigens auch eins für eine Perücke bei, wie ich später feststellte.

Also, was werde ich mir aussuchen? Blond, lockig und bis zur Hüfte? Braun, kurz und peppig? Afro? Ich fürchte, dass die folgendes nicht auf Lager haben: undefinierbare Farbe, pisselig, schulterlang, hoher Ansatz.
Wann soll ich die überhaupt holen und wo ?
Na ja, aber für umsonst, ist das doch mal ganz witzig.
Wenn der Port mitspielt, gehe ich Samstag Perücke, Handschuhe, Augenbrauenstift und Haarschneider (kostet bei Kodi ca. 5 Euro) kaufen. Anklebbare Wimpern und Augenbrauen wären doch noch der Hit. Und heute habe ich einen Patienten mit Mundschutz gesehen. Da hatte ich letztens auch schon dran gedacht. Für den Weg zur Chemo und zurück. Bald geht doch die Erkältungszeit los.
Ich hab allerdings schon verschiedene Kappen, die ich gegenüber einer Perücke auch favorisiere. Da klebe ich, als Akzent, vielleicht noch eine Strähne meiner abgeschnittenen Haare dran, damit sich keiner einbildet, ich sähe sonst besser aus. (Aber, was für einen Kleber benutzt man da?)

Ich denke grad daran, wie ich manchmal nach dem Essen quasi völlig unkontrolliert auf der Couch einschlafe. Das stelle ich mir jetzt mit Perücke vor. Wie ich aufwache und nichts mehr sehe, weil die Perücke, an die ich mich nicht erinnere, mir vor die Augen gerutscht ist. - Ich fürchte, die hält bei mir grad mal eine Woche, dann kann ich die als Mopp benutzen.

So, heute gibt's keine Gymnastik. Dafür habe ich die Narbe mehrmals intensiv geduscht und einbalsamiert. Die wirkte so entzündet vom Ultraschall-Gel.

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Freitag, 12.08.05

War erst um 03 Uhr im Bett, wegen ängstlicher Aufregung und bin schon um 06.15 wieder aufgestanden. Ich habe offenbar seit heute Husten und Schnupfen. Auch mein Darm verweigert sein morgendliches Geschäft. Nach der OP werde ich übrigens nicht mehr Husten und Niesen.

07.30 Uhr  Bettenhaus, ErdgeschossZentrale Patientenaufnahme ->  anmelden, roten Ü-Schein und kleinen weißen Zettel abgeben. Bin schon um 07.34 Uhr fertig

Fahre hoch, obwohl ich mich erst um 08.00 Uhr im Bettenhaus, Ebene 6, zur Port-Anlage - OP melden muss. An der Annahme warte ich 5 Minuten. Dann noch einige Zeit im Warteraum. Ich bin allein und nutze die Zeit für Gymnastik. Nachher wird's ja wohl nicht mehr so gut gehen.
Eine Schwester holt mich ab. Ich soll mich obenrum frei machen und mich schon mal auf den OP-Tisch legen. Sie deckt mich mit einem Tuch zu, das mich warm hält.
Später werden noch weitere Tücher von ihr und dem Operateur über mich gelegt. Nur das OP-Feld bleibt frei und auch mein Blickfeld wird abgedeckt (Danach hatte ich vorher schon gefragt, weil ich sonst ohnmächtig würde. Das sei Standard, sagte die Schwester.).
Der Operateur stellt sich vor. Es ist ein anderer als der, der mit mir das Gespräch geführt hatte. Also sage ich ihm nochmal ausdrücklich, dass ich bislang durchweg schlechte Erfahrungen mit örtlicher Betäubung hatte, derart, dass man zu wenig und für zu kurze Zeit betäubt hätte und meine Schmerzmeldungen nicht ernst genommen hätte und gar nicht oder nicht ausreichend nachbetäubt hätte. Das würde ich hier und heute nicht dulden und sofort, selbst unter Lebensgefahr die Sache abbrechen, wenn das wieder so wäre. Er gibt sich überrascht. Das wäre doch das Mindeste, dass man ordentlich betäube. Das würde er selbstverständlcih auch tun. Ich solle mich nur immer schön melden. Später wird sich zeigen, dass mein Vortrag sinnvoll war, weil selbstverständlich auch er die Tendenz hat, trotz Schmerz weiter zu machen, den aktuellen Arbeitsgang zu beenden. (Die Einschätzungsfähigkeit, wie lang das dann dauern würde, ist bei med. Personal durchweg schlecht ausgebildet.) Da er aber nun vorgewarnt ist, achtet er auf mich und reagiert entsprechend. Schon zu Beginn der OP wird die Startbetäubung nochmal verstärkt und insgesamt 3 x wird auf meine Meldung hin umgehend nachbetäubt. Ich meinerseits frage in zwei weiteren Situationen erstmal, ob die aktuelle Aktion noch länger dauere, weil langsam wieder Schmerz aufkäme, es gerade eben aber noch akzeptabel wäre. Er meldet mir zudem immer, wenn er einen Arbeitsgang beendet hat, damit ich beruhigt registrieren kann, dass manch "schlimme" Dinge schon erledigt sind und, dass es nach und nach auch dem Ende zu geht. Das macht er nicht zuletzt deshalb, weil ich am ganzen Körper unkontrollierbar zittere, als wenn ich Schüttelfrost hätte. Das ist Angst-Zittern, das ich schon kenne und ich habe es sofort gemeldet, als ich merkte, dass es beginnt. Das geht so lange, bis die OP definitiv vorbei ist oder sogar noch darüber hinaus. Irgendwann fange ich dabei auch an zu weinen. So ein tonloses Weinen, bei dem einfach nur die Tränen laufen. Aber das diesmal nur kurz.
Schmerz war in den genannten Situationen zu spüren, in denen dann aber nachbetäubt wurde oder die umgehend zuende waren. Schlimm stark war er zu Beginn, als die Anfangsbetäubung noch nicht ausreichte. Außerdem gab es noch ein seltsames Gefühl innerhalb meiner Brust. Ich bin eine, deren Organismus das mitkriegt, wenn etwas in Venen geschoben wird. Das ist ein seltsam unangenehmes Gefühl und wird gefolgt von extremem Herzrasen und einer "Roter Alarm! - Was ist da los?"-Ganzkörperreaktion. Anders kann ich es nicht beschreiben. Sowas fühlt man halt im Alltag nicht. Der Operateur hatte mir während dessen eine Frage gestellt, die ich nun aber nicht beantwortete, sondern mich stattdessen innerlich wand und aus meinem Mund kam immer nur der Ansatz einer Antwort: "Ich eh, ... Ich ... Ich habe.... u.s.w." Als das Gefühl vorbei war, sagte ich: "Tut mir leid, aber ich konnte grad nicht antworten, da war so ein seltsames Gefühl in meiner Brust." Das wäre der Schlauch gewesen, den er an sein Ziel geschoben hätte. Manche Patienten könnten das spüren, erklärt mir der Operateur. Das wär jetzt aber auch vorbei. Ich hatte außerdem ganz zu Beginn einen Schmerz in Hals und Kopf, den ich vorsichtshalber gemeldet habe, aber den konnte der Operateur nicht nachvollziehen: "Das kann nicht sein", behauptete er.
Außerdem kriegt man Ruckeln, Zerren, Stopfen und Schieben mit. Bei mir musste der Operateur stark schieben. "Sie haben extrem festes Fettgewebe. Treiben sie viel Sport?" An sich wäre das ja schön, meint er, aber für diesen Zweck hier wäre das leider ungünstig, denn nun müsse er mir die Dinge, die da rein müssten, regelrecht rein rammen, das ginge leider nicht anders.
Die Reihenfolge ist ungefähr so: Die Vene wird punktiert, dann wird in dieses Löchlein der viel dickere Schlauch gestopft (sehr unangenehm) und weiter durch geschoben, dann wird die Porttasche geschnitten, dann wird der Port gesetzt und ausgerichtet, dann werden Port und Schlauch miteinander verbunden (offenbar gibt es da einen Verbindungsmechanismus), dann wird zugenäht, wobei die Fadenenden mit je einem Druckknopf gesichert werden. Die muss man später nur Öffnen und entfernen und kann dann den Faden ziehen. Diesmal ist wirklich ziehen gemeint, wie ich extra erfragt habe. (Dass es sich nur um einen Schlauch handelte, schreibe ich nachträglich. Im Vorgespräch hatte ich es so verstanden, dass es um zwei Schläuche ginge. Möglicherweise hatte mir der Arzt aber nur den verschlungenen Weg beschrieben, den ich dann so verstanden habe, als würden von zwei Seiten Schläuche auf's Herz zu verlegt.)
Übrigens hätte er mir eine Miniausführung des Ports gelegt, weil ich so schlank sei, sagt der Operateur. Dennoch wäre auch der im Verhältnis noch so groß, dass eine sichtbare Wölbung nicht zu vermeiden wäre. Ob die sich später zurückbilden würde, wenn man das Ding wieder deimplantiert hätte, will ich wissen. Ja, selbstverständlich, antwortet er. (Nachtrag: Dies bezweifle ich mittlerweile, da mir nun klar geworden ist, dass mein Körper das Implantat mit zusätzlichem Gewebe einbetten wird und die Uniklinik später wohl nur pur deimplantieren und das zusätzlich gebildete Gewebe einfach hässlich hinterlassen wird.)
Er testet jetzt noch die Funktion des Ports indem er entweder was abzapft oder aber rein gibt. "Er läuft", freut er sich. davon merke ich nichts.
Der Operateur kommt nochmal auf meinen Betäubungsvortrag zu sprechen. Er hätte schon befürchtet, ich wäre eine ganz Wehleidige. Aber das wäre ja gar nicht so gewesen. Das wäre doch prima gelaufen. Da kenne er ganz andere Patienten. Obwohl er bei sich selbst die Dinge auch immer noch mal ganz anders sähe und vor allem bei seiner Tochter würde er wünschen, dass sie nicht leiden müsse.
Dass ich mir den Port hätte anlegen lassen, wäre eine gute Entscheidung. Er selbst würde das auch machen, wenn er eine Chemotherapie bräuchte. Ihm wäre das zu gefährlich, dieses ganze hochkonzentrierte Gift im Arm. Das solle dann schon sofort dahin, wo es hin gehöre. Ja, so würde ich das auch sehen, sage ich. Ich würde gar nicht verstehen, wie man sich allen enstes dagegen entscheiden könnte. Viele Frauen lehnten das ab, wegen ihres schönen Dekoltés, weiß er zu berichten. Das ist doch Wahnsinn, sage ich, da habe ich doch lieber ein paar Monate da einen Hubbel und später eine Narbe, als wenn ich mir den Arm verätze. Den brauche ich doch. Tja, aber das könne man vielen nicht klar machen. Das mit der Informationspolitik wäre in solchen Momenten ungünstig. Gesünder wäre es für die Leute, wenn solche Entscheidungen von den Ärzten getroffen würden, meint er. - Das mag ich so nicht stehen lassen, Freundlichkeit hin oder her: Ich würde ja finden, dass ein zusätzlicher medizinischer Beratungsberuf geschaffen werden müsse. Ich fänd das Unsinn, dass das auch noch die ausführenden Ärzte machen müssten. Es müsse jemand ausschließlich dafür da sein, dass den Patienten klar werden kann, was besser für sie ist. "Ja aber, wie wollen sie das machen?" wirft er ein. "Z.B. hätten sie bei dieser OP ja auch sterben können. Wenn ich das den Patienten vorher sage, wollen die die OP doch nicht mehr machen." - Zum Glück kommt jetzt die Schwester rein, unterbricht und der Arzt muss kurz in's Nebenzimmer. Ich hätte nämlich sonst einen Vortrag begonnen, der ihn vielleicht verletzt hätte, weil er möglicherweise glaubt, dass Ärzte dem Informierungsauftrag gewachsen wären.
[Und zwar hätte ich gesagt, dass der Einsatz professioneller Berater genau dieses Problem mindern würde, weil sie gelernt hätten, derlei Informationen so zu geben, dass die Vernunft der Patienten nicht aussetzt. Dass derlei Beratung eher eine Begleitung der Entscheidungsfindung sei, als eine reine Informierung. Patienten müsse man bei der Verarbeitung ihrer Diagnose und der daraus folgenden Konsequenzen begleiten, man müsse mit ihnen ihre Ängste besprechen, dann könne man auch gezielter über Unabwendbares, über medizinische Tatsachen und Notwendigkeiten mit ihnen sprechen und würde konstruktiv erlebt. Dabei käme am Schluss ein viel höherer Prozentsatz an vernünftigen Entscheidungen raus. - Aber das habe ich ja nun nicht gesagt. - Und ich habe auch nicht gesagt, dass ich Ärzte für diesen Job für völlig ungeeignet halte und deshalb z.B. auch ein zusätzliches Fach 'Patienten-Informierung' im Studium, in meinen Augen reine Zeit- und Geldverschwendung ist. Informierung allein reicht eben nicht. Die Aufgabe ist größer. An den Job muss jemand ran, der das ausgiebiger gelernt hat und dessen Beruf es ist, genau das auschließlich zu tun.]
Meine Lunge wird nun noch geröntgt, um zu überprüfen, ob sie bei der OP verletzt wurde.
Zuvor hatte er schon per Computer-Bild den Herzbereich kontrolliert, schätzungsweise zur Kontrolle bei der Verlegung des Schlauchs.

Nach der OP bin ich noch sehr benommen. Die Schwester sagt, das komme vom langen Liegen. Aber wieso, denke ich, das habe ich doch sonst auch nicht, wenn ich lang liege. Nachdem ich erst etwas sitzen bleibe, stehe ich auf. Ich tapse und der Raum dreht sich ein wenig und mir ist übel im Kopf. Das ist nach einem Toilettengang immer noch nicht weg. Ich melde es. Möglicherweise hat es ja mit Allergie oder sowas zu tun. Nein, der Kopf dürfe und könne eigentlich nicht in Mitleidenschaft gezogen sein. Komisch, sage ich, gleich bei der ersten Spritze, hätte ich aber gespürt, wie die auch in den Kopf hinein gewirkt hätte und ich hätte auch einen kurzzeitigen Kopfschmerz gehabt. Und während der OP hätte ich doch mal seine Aufforderung, dass ich tief einatmen solle, nicht gehört, weil ich alles nur ganz leise gehört hätte und ich deshalb dachte, er stehe ganz weit weg und rede mit jemand anderem. Auch das ginge nicht, meint er. (Hä?) Er telefoniert nun rum, ruft in verschiedenen Abteilungen an, um zu klären, was es sein könnte. Zum Schluss gibt es zwei mögliche Gründe: A) Ich habe einen Gehirntumor. B) Ich reagiere einfach nur ganz individuell auf die OP-Erfahrung so. Okay, das mit dem Hirntumor können sie vergessen, sage ich, den Verdacht hätte es bei mir wegen sowas schon mal fälschlicherweise gegeben. Eher könnte ich mir vorstellen, dass mein Organismus individuell auf die OP-Situation so nachhallt. Wenn das nicht weggeht, müssen sie das hier aber unbedingt untersuchen lassen. Alles klar. Morgen mus ich sowieso in die Notfall-Radiologie der Klinik, weil dann die Wunde gesichtet und neu verbunden werden muss. Sollte ich heute wieder mit Pflasterallergie reagieren, könnte man morgen ein anderes Pflaster nutzen. Heute ginge aber kein Weg an diesem vorbei, weil sonst nix so gut hält und es ja ein Druckverband sein müsse, sagt der Operateur.
Ich zeige der Schwester meine Schmerztabletten und frage, ob die geeignet sind, um sie gegen die Schmerzen nach der Betäubung zu nehmen. Ja, die wären prima.
Schließlich kriege ich noch ein Handbuch zu meinem Port und eine Implantiertenkarte. Der Port namens BardPort 0605510 - 22KO4794 und ich gehören nun zusammen. Ich bin also assimiliert. Widerstand wäre zwecklos gewesen. - Sollte der Port eine zeitlang nicht benutzt werden, muss ich ihn aber in regelmäßigen Abständen durchspülen lassen, sagt mir der Operateur.

Nach ca. 1 Stunde ist die Kopfsache weg. Die Schmerzen aber da. Nichts von dem, was ich mir vorgenommen hatte, kann ich tun. Haushalt nicht, einkaufen nicht, am besten auch nicht atmen. Alles tut weh, jede Bewegung. Ein Fremdkörper unter einer Wunde ist wahrlich nicht schön. Die Schmerzen sind nämlich sehr stark. Die Tabletten sind viel zu schach. Morgen werde ich mir stärkere verschreiben lassen. Frei käuflich gibt's keine stärkeren.

In der Chemo-Ambulanz, in die ich nach der OP noch kurz gehe, um da was abzugeben, mein tatsächliches Gewicht mitzuteilen,  mir den unleserlichen Chemie-Anteil noch mal in schön aufschreiben zu lassen und die in Mitleidenschaft gezogene alte Narbe vorzuzeigen, rät man mir, die Narbe zu kühlen. Sie sei sichtbar gereizt, aber solange sie nicht eitere müsse man nichts anderes tun. Zu Hause fällt mir ein, dass Kühlen ja gar nicht geht, weil weder die Narbe noch der Brustmuskel Kälte vertragen. Nicht auszumalen, was ich damit verursachen würde. Die Narbe muss also gereizt weiter vor sich hin schmerzen.

Das Gewicht habe ich übrigens mit Hilfe der öffentlich nutzbaren Waage, die in einem der Flure der Frauenklinik steht, ermittelt. Ich habe sie auf null gestellt, sie austariert, Schuhe und Jacken ausgezogen, mich drauf gestellt und die Gewichte geschoben. 54,7 kg kam dabei raus. Wenn man also Hose, Strümpe, Unterhose, Shirt und Port abzieht, dann werde ich wohl 54 kg wiegen, 2 mehr, als ich angegeben hatte. Das, was ich mir in den ersten Wochen nach der Radfahrerei wieder angegessen hatte, habe ich also zwischenzeitlich gehalten.


Neben mir an der Waage steht eine Frau und stöbert in ausgelegten Broschüren. Wofür ich denn mein Gewicht wissen müsse, fragt sie. Ich mache demnächst eine Chemo und hätte denen bislang nur ein geschätztes Gewicht gesagt, das wolle ich jetzt überprüfen. Warum ich denn die Chemo mache, fragt sie. Wegen Brustkrebs, sage ich. Und sie, ob sie hier auf jemanden warten würde oder ob sie Patientin sei, will ich wissen. Sie müsse zum Gespräch, sie solle auch Chemo kriegen, sie hätte Darmkrebs und vorne (sie deutet auf den Unterleib). Sie wolle aber nicht. Sie sei 56, was hätte sie schon noch zu erwarten. 2 Jahre vielleicht. Dafür wolle sie nicht durch die Hölle gehen. 2 Jahre wäre wenig, sage ich. Dafür würde ich das auch nicht machen wollen. Aber ob sie denn sicher sei, wegen der 2 Jahre. Sie solle sich das genau erklären lassen, welche Lebensspanne mit Therapie noch für sie drin sein könnte und wie hoch die Chance für sie wäre, das zu erreichen. Möglicherweise wäre ja doch etwas mehr drin, dann sähe es vielleicht für sie ja schon ganz anders aus. Und man lebe ja auch während der Chemo. Da soll es einem ja angeblich nur immer ein paar Tage sehr schlecht gehen und dann kämen immer etliche Tage, an denen es recht passabel sei. - Aber sie sei allein und man brauche während einer Chemo doch jemanden , der sich kümmere und mit dem man sich auch mal unterhalten könne, bringt sie ihre Bedenken vor. - Ja, wenn sie das so fühlen würde, dann bräuchte sie das wohl. Ich selbst würde auch allein leben und hätte mir das Gefühl jedoch abgewöhnt, dass da noch jemand sein müsse, auch in solchen Situationnen, wäre ich selbst mein bester Kumpel, stelle ich meine Alternative vor. - Aber reden müsse man doch mal mit jemandem, sagt sie. Ob sie denn auch niemanden zum Telefonieren hätte? frage ich, langsam begreifend. Nein, hätte sie nicht. Ich überlege eine hundertstel Sekunde lang, dann sage ich: Dann ruf mich doch einfach an, wenn du reden möchtest. Also, ich meine, magst du mit mir telefonieren? frage ich. Ja gerne, sagt sie. Gut, sage ich, dann gebe ich dir meine Telefonnummer. Warte, ich habe eventuell eine Karte dabei. Ja, habe ich. Ich gebe sie ihr. Danke, sagt sie. Ja, und deine Nummer? Wie ist die? frage ich und krame Zettel und Stift raus. Sie nennt mir ihre Nummer. Wann sie mich denn anrufen könne? fragt sie. Sie wolle mich nicht belästigen, also nicht anrufen, wenn es stört. Da gebe es keine Regel, sage ich. Wenn es gerade stört, sage ich dir das einfach. Und das gilt dann wirklich nur für den Moment. Ich werde dann sowas sagen wie: Ruf später nochmal an, gerade geht es nicht. Oder: Ich rufe später zurück, im Moment bin ich in Eile. Oder so. Ob denn bestimmte Uhrzeiten besser oder schlechter wären, will sie wissen. Nein, sage ich, es ist völlig egal, ob du morgens, mittags oder abends anrufst. Ich kann immer Zeit und Ruhe zum Telefonieren haben oder gerade zufällig nicht. Ruf einfach an, wenn du Lust dazu hast. Ob ich dann grad kann oder nicht, werden wir dann sehen. Sie wolle mich aber keinesfalls belästigen, betont sie nochmal. Wirst du auch nicht. Ich kann ja sagen, wenn es grad nicht passt. - Sie wird zum Gespräch gerufen und verabschiedet sich. Okay, wir sprechen uns, sage ich ihr zum Schluss.
Tja, das ist jetzt so, denkt sich mein kleiner Prinz. Und später noch: Ich (!) werde anrufen müssen. damit das Belästigungsthema vom Tisch kommt. Ich kann ja nach dem Gespräch fragen, in das sie grad ging. - Aber etwas warten. Nicht zu lange. Aber dem Verhältnis, wie ich es sehe, angemessen warten.

Übrigens hat mir der Operateur erzählt, dass man sehr wohl sagen könne, dass der Tumor in der Brust der Ursprungsherd sei. Das hätte man in der Untersuchung des Gewebes sehen können. Man sähe, ob es sich um gestreuten Krebs handele oder ob er da seinen Stammplatz hätte. Man würde Krebs nicht nur nach dem Ort benennen, an dem man ihn findet. Bekäme ich jetzt zum Beispiel eine Metastase in der Lunge, dann würde man dort gestreuten Brustkrebs finden. Insofern hätte es Sinn gemacht, nicht überall nach Metastasen zu suchen, sondern nur da, wo Brustkrebs erfahrungsgemäß (in der Regel) zuerst hinstreut.
Diese Info nimmt mir meine diesbezügliche Unsicherheit und Skepsis. Und ich kann wieder aufhören vom Brustkrebs in der Vergangenheitsform zu sprechen. Das hatte ich nämlich gerade angefangen, weil ich ja keinen Tumor mehr in der Brust habe. Also muss ich jetzt sagen, dass ich vermutlich noch Brustkrebs im Körper habe. - Da wäre ich allein nicht drauf gekommen.

Zu Hause gucke ich im Internet nach Perücken. ich finde viel Schrott. Aber auch eine Seite mit natürlich wirkenden Perücken. Die würden da tatsächlich meine Pisselsfrisur als Perücke machen. Leider kann ich das ja nicht mehr vorbereiten. Ich bräuchte gute Bilder von allen Seiten, auf denen man auch die Haarfarbe erkennen kann. Und dafür natürlich einen Tag, an dem die Haare gut liegen. Dann würden die mir eine Perücke machen, die dem entspräche. Aber dennoch. Bei denen werde ich mich orientieren. Alles andere ist doch Schwachsinn. Wenn schon falsche Haare, dann aber doch nicht auch noch völlig verfremdend. Ich will mich damit doch wiedererkennen. Es muss ja nicht exakt das selbe sein, aber doch meiner Art entsprechen. Perfekt gestilte Frisuren gehören nicht dazu. Sonst könnte ich auch gleich mit einem aufwendigen Pfauenfedernhut rumlaufen.

So, der Schmerz hat gerade ein wenig nachgelassen und ich darf außerdem jetzt eine neue Tablette nehmen. Dann werde ich schlafen und ich hoffe, dass die Wunde morgen nicht mehr so schmerzt. Tanzen habe ich zwar eh schon völlig abgeschrieben. Aber für mich sorgen würde ich gerne können.

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Port-Pflaster
Port-Pflaster + gereizte Narbe
Samstag, 13.08.05

Immernoch tut der 'Port an Wunde' sehr weh. Heute merke ich aber wenigstens schon, dass die Tabletten überhaupt etwas bewirken.

14.00 Uhr -> Klinik:
Notfall-Radiologie zur Wundkontrolle + neues Pflaster + zusätzliche Schmerztabletten verschreiben.
Ich kriege welche für morgens und abends.
Die Leute da scheinen es nicht gewohnt zu sein, dass mein Fall dort zur Kontrolle kommt. Sie besorgen einen Dermatologen, der sich das angucken soll. Er fragt, was gemacht wurde, wo das gemacht wurde und wieso ich jetzt da hin komme. Vielleicht, weil Samstag ist ? Mehr fällt mir dazu jedenfalls auch nicht ein.

Apotheke -> Schmerztabletten besorgen. Auf einem Straßenfest haben diverse Apotheken auf, so muss ich nicht mal Notdienstgebühr zahlen.

Einkauf für Haushalt. Per Fahrrad !!! Habe da hinten einen Einkaufskorb drauf, insofern ist das sogar schonender als ohne Rad. Vorsichtiges Radfahren geht recht gut. Schlimmer ist mal wieder der Einkaufswagen im Supermarkt. Nach jeder Kurve zuckt mein Brustmuskel unkontrolliert.
Neuerdings haben hier alle Supermärkte auch samstags bis 20.00 Uhr auf. Praktisch. Heute sitzt da auch mal jemand Fremdes an der Kasse. Gut, ich dachte schon, die Angestellten müssten da demnächst auch schlafen - wahrscheinlich für's gleiche Geld. Die Streichung der Mittagsschließung und den Wechsel von 13 auf 16 Uhr samstags fand ich schon qualvoll für's Personal.

Wäsche waschen fahren

Viel telefonieren

Einkaufsplanung für Montag


Bilder vom Port-Verband sichten, die ich gestern gemacht habe.

Gymnastik geht nicht, weil die rechte Seite weder mitmachen noch Schwingungen von links vertragen kann.
Narbe einmal einbalsamiert.

Heute nur Cheeseburger, 1 Brot, Eis, Pudding und Banane gegessen. Mir reicht mein Bewegungsschmerz, ich will nicht auch noch in der Küche hantieren. Morgen habe ich mehr Schmerzmittel intus, da geht das sicher besser.

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Sonntag, 14.08.05

Ich beobachte bei eBay ein TV, das voraussichtlich preislich günstig und sicher technisch in Ordnung ist, dessen Bedienung der Verkäufer mir erklären würde und das in Köln abgeholt werden kann. Jedoch ist es groß, weshalb ich mich gegen es entscheide. TV nimmt schon in meinem Leben zu viel Platz ein, das soll es nicht auch noch in meinem Wohnzimmer tun.

Ich will Frisur-, Haarfarb- und Augenbrauen-Fotos machen und brauche dafür viel Tageslicht. Heute ist es jedoch sehr duster. Ich werde es gleich mal ausprobieren. Macht nicht so viel Sinn. Auch gut, dann wasche ich mir heute auch nicht die Haare. Entweder reicht morgen das Licht oder ich lasse irgendwo Fotos machen.
Die Augenbrauen-Fotos brauche ich, um später mit dem Augenbrauenstift eine entsprechende Linie nachahmen zu können. Außerdem will ich die Augenbrauenfarbe festhalten.
Meine Frisur, den Haaransatz, die Länge und Kopfhaarfarbe bzw. den Eindruck, den sie vermittelt, will ich festhalten, damit ich mir ggf. so eine Natureline-Perücke bestellen kann. Persönlich vorstellig werden, wäre zwar sinnvoller, aber das schaffe ich ja nicht mehr.
Notfalls kann ich die Fotos gebrauchen, um nach tausend Monaten, wenn die Haare wieder lang sind, meine Friseurin an meinen ehemaligen Schnitt erinnern zu können.
Ich brauche außerdem ein Passfoto für den Schwerbehindertenausweis-Antrag. Vorsichtshalber lasse ich morgen noch eins knipsen.

Narbe einbalsamieren.
Keine Gymnastik.
Ich muss übrigens die Zusatz-Schmerztabletten doch nicht nehmen. Die einfachen Schmerztabletten reichen heute aus. Zwar habe ich trotzdem noch Schmerzen, aber die sind, zusammen mit dem Ausblick, dass sie demnächst ganz verschwinden, erträglich. Der Beipackzettel der anderen Tabletten hatte mich sowieso abgeschreckt. Ich hätte viel lieber die gewünschte Auskunft bekommen, ob ich die Dosis meiner Tabletten geringfügig erhöhen darf. Die verschriebenen Tabletten  gehören zur Gruppe der Opiate und machen was am Rückenmark. - Da wird demnächst sowieso schon mehr als genug dran gemacht.

Jetzt, da ich keine frisch gewaschenen Haare habe, kann ich mal Staubwischen. Wie immer, wenn ich mir so was kleines vornehme, wird daraus eine größere Aktion. Ich räume mein Wohnzimmer um und beginne, mein Schlafzimmer zu entrümpeln. Schwupps, schon ist es 22 Uhr. Okay, das, was ich jetzt vollbracht habe, ist auch schön, aber nichts von dem, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, ist nun erledigt. Also muss ich aus meinem Plan für morgen hundert Sachen streichen.

Jetzt werde ich aber erstmal kochen. Es ist zwar spät, aber ich hatte mir versprochen, dass es heute was Vernünftiges gibt. Danach werde ich einschlafen, also muss ich den Wecker auf ganz früh stellen, um vor dem AA zu klären, wohin ich von da aus gehe und was ich unbedingt vor Dienstag erledigen muss
, weil ich es ab Dienstag womöglich nicht mehr kann. Vor allem muss ich bedenken, wie ich mir am Montag meinen Schlafplatz für jeden Notfall werde einrichten müssen. Am Dienstag kann ich mich da möglicherweise nur noch hinlegen und das war's.

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