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Woche 19
26.09.05 - 03.10.05


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Montag, 26.09.05 (Zyklus 2/6 - Tag 21)

Frauenarzt: Blutabnahme für Blutbildkontrolle

Physiotherapeutin: Erstgespräch + Tipps
In der Praxis ist kein Rot und kein Orange. Hurra!
Das Personal ist aber nicht mehr das gleiche, wie damals, als ich schon mal da war.
Irgendwie schaut die Therapeutin mich komisch an. Entweder bin ich persönlich nicht ihr Fall oder aber sie ist geschockt vom Brustkrebs und meiner Kopfhaarlosigkeit. Als ich mich legen soll, nehme ich die Kappe ab und warne vorher, weil das meistens erstmal schockiert. Sie fragt, ob ich denn nur die Kappe hätte. Ich sage, nein, ich hätte noch eine. :-))

Mal ehrlich, eine Perücke während der Chemo, was soll das?  Damit ich mir beim Kotzen Haare aus dem Gesicht halten muss?

Ich erfahre, dass ich meine Narbe nicht nur dehnen, sondern auch reizen muss, damit die Gegend da wieder lernt, wahrzunehmen. Okay, man hatte mir schon zweimal was von massieren gesagt, aber das WARUM fehlte mir dabei. Und wie, konnte mir vorher auch keiner zeigen.

Einkaufen für die Woche
Medikamente:


Reha:
Gymnastik + Dehnung

Meine Maläste:
Gereizte Augen-Bindehaut; Muskelflattern des linken Augenlids

Essen:


Getränke:


Geraucht:


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Dienstag, 27.09.05 (Zyklus 3/6 - Tag 1)

Frauenarzt: Blutbild-Bericht abholen

Onkologin: Chemo
Der 2. Chemo-Raum, den ich letztens noch nicht einsehen konnte, ist mit sehr bequemen Sesseln ausgestattet, so einer Art Fernsehsessel. Diese jedoch sind, anders als die in der Chemo-Ambulanz der Klinik, auch für Nicht-Riesen höchst bequem und sie sind sehr komfortabel bedienbar. Außerdem hat man von hier, Dank fast bodenhoher Fenster, einen prima Ausblick  auf etwas Grün und eine Kreuzung.
Selbstredend habe ich mich dort niedergelassen. Auch gibt es hier das Buch, das mir die Frau von dem Verein wiralle empfohlen hatte. So kann ich da mal reingucken und sehen, ob es tatsächlich sein Geld wert ist. Ich weiß zwar nicht, was es kostet, aber egal wieviel, das ist es wert.
In der Praxis ist man nicht wirklich auf mich vorbereitet. Aber dank guter Strukturen und einer Zusammenarbeit mit der Apotheke im Hause, hat man schnell alle Chemie für mich beisammen.
Die Blutabnahme, die man bei mir vorher machen wollte, habe ich jedoch verweigert, da ich ja meinen Blutbild-Bericht des Vortags dabei habe und meine Vene erstmal keinen Stich mehr verträgt.
Künftig werde ich alle Blutbild-Kontrollen gleich dort machen lassen. Die haben ein eigenes Minilabor, wie es scheint oder ein Labor in direkter Nähe.
Die Chemie kriege ich hier immer schon gemixt mit Kochsalzlösung. Ich verstehe nichts von entsprechenden Vor- und Nachteilen, mir viel jedoch gleich auf, dass ich so nicht auf einen gleich schnellen Lauf der Flüssigkeiten achten musste.
Am Schluss gibt man mir noch Begleitmedikation, die ich jedoch zurück gebe, weil ich sie schon habe, wenn auch von einer anderen Firma. - Wäre ich dumm, hätte ich sie nun zweimal genommen. Das war also ein Ausrutscher der Ärztin; denn aus meinen Unterlagen hätte sie ersehen können, dass ich die Medikamente schon habe.
Am Schluss frage ich noch, wegen der Spritze, die ich morgen kriegen muss. Sie glaubt, dass sie mir sie mitgeben soll, worauf ich sage: "Oh Gott, bloß nicht, ich spritze mich nicht selbst." Sie lacht und sagt: "Was denn, wo sie doch eine so starke Frau sind." "Ja, aber nicht bei sowas", sage ich. Sie lächelt und sagt: "Ja, jeder hat wohl irgendwo seine schwachen Punkte."
Übrigens sind 2 ArzthelferInnen ausschließlich für die Chemotherapien zuständig. Wenn grad nichts zu tun ist, sitzen sie nur und wippen mit dem Bein. Das finde ich höchst beruhigend; denn so sind sie immer ansprechbar und sofort da.
Die PatientInnen sind nicht kommunikativ. Entsprechende Versuche von mir, scheitern umgehend. Hier leiden aber akut auch mehr als in der Chmeo-Ambulanz der Uniklinik; es geht hier ja ansonsten meist um Krebs an beeinträchtigenden Organen. Die Patientin links neben mir nervt mich, weil sie immer am Kunstleder ihres Sitzes kratzt, wenn sie nicht grad aufstößt. Die Patientin schräg gegenüber hat den Tastenton an ihrem Terminplaner nicht ausgeschaltet und piept dauernd damit rum. Ich entscheide mich schließlich aber, beide nicht zurechtzuweisen, sondern auch diese Töne als gegebene Geräuschkulisse zu akzeptieren.
Medikamente:
Chemo + Begleitmedikation; Augentropfen; Mundspülung

Reha:
Dehnung

Meine Maläste:
Zahnschmerzen; starke Benommenheit; Muskelflattern

Essen:
morgens: 1/2 trockener V-Toast; mittags 1,5 belegter V-Toast; abends: Salat mit Thunfisch, Bohnen, Zwiebeln und Joghurtdressing sowie 2 getoastete V-Toast mit Nutella

Getränke:
ca. 3 Liter Wasser; 1 Kamillentee; 4 Kaffee

Geraucht:
5 Zigaretten

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Mittwoch, 28.09.05 (Zyklus 3/6 - Tag 2)

Morgens ist mir übel. Ich brauche sehr lange, bis es mir so gut geht, dass ich zur Onkologin fahren und mir die Spritze geben lassen kann.

Onkologin: Spritze geben lassen
Ich muss etwas warten, weil man mir nicht öffentlich in den Bauch spritzen will. Das wäre mir zwar egal, aber ich schätze diese prinzipielle Rücksichtnahme.
Im Wartezimmer sitzt ein sehr junger, völlig haarloser Mann und leidet. (Er trägt weder Perücke noch Kappe.)
Als ich dran komme, hat die Arzthelferin sich offenbar kurz vorher informiert, wie man die Spritze setzt oder sie will mich darüber informieren. Sie sagt was von halbmondförmig, .... Als ich verkünde, dass ich selbst das nicht machen könnte und deshalb niemals einen medizinischen Beruf hätte ausüben können, meint sie, dass sie das bei sich selbst auch nicht könnte, bei anderen aber schon. Sie macht das gut, weniger schmerzhaft, als ich das bisher erlebt habe.

Je später der Tag, umso weniger schmecken mir Kaffee und Zigaretten.

Gegen Abend kündigt sich schon an, dass ich, genau wie beim letzten mal, sicher auch diesmal wieder mitten in der Nacht vor Übelkeit aufwachen werde.





Medikamente:
Begleitmedikation; Augentropfen; Mundspülung

Reha:
nur kurze Dehnungsübung

Meine Maläste:
Morgens Übelkeit, die erst 1 Stunde nach dem Frühstück weg geht und kurz vor dem Mittagessen wiederkehrt; leichte Benommenheit; Vom Kortison geschwollenes Gesicht; Gesichtsrötung; Stuhlgang etwas dick und hart, aber noch annähernd im Normalbereich; Kopfschwitzen; Muskelflattern

Essen:
morgens: Müsli mit Joghurt, Milch, Banane, Honig, Milchzucker, Flohsamen; mittags: Joghurt mit Banane und Honig sowie 2 getoastete V-Toast mit gewürztem Frischkäse, Tomaten und Zwiebeln; abends: Spitzkohl + Frikadelle

Getränke:
2,5 Liter Wasser; 1 Kamillentee; 3 Kaffee

Geraucht:
10 Zigaretten

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Donnerstag, 29.09.05 (Zyklus 3/6 - Tag 3)

Ich wache mitten in der Nacht auf, weil mir übel ist und nehme die Zusatztablette gegen Übelkeit.

Zum Essen muss ich mich zwingen, weil mir eigentlich zu schlecht ist. Da ich das aber tue, stelle ich fest, dass es mir danach insofern gut geht, als ich dann einschlafen kann. So geht das jetzt den ganzen Tag weiter: Übelkeit, Essen reinzwingen, Schlafen.

Ich rufe beim Frauenarzt an; denn ich brauche eine neue Krankmeldung, wie mir aufgefallen ist.

Ich stelle meinen Fernseher an's Bett, damit ich nicht im Wohnzimmer auf der Couch einschlafe.

Abends steige ich von Leitungswasser auf Sprudel um, da ich noch schlechter als Essen, Trinken kann und mir das Leitungswasser heute absolut nicht schmeckt.

Nachts träume ich intensiv. Wache auf und betrachte das. Mein Bewusstsein kann sich aber nicht konzentrieren, also hoffe ich, dass ich mir das merken kann.
Medikamente:
abgewandelte Begleitmedikation (2 x 20 mg Pantozol statt 1 x 40 mg); 2 x Vomex; Augentropfen; Pilzmedikament; Nivea-Creme für die Nasenschleimhaut; Zitrone in's Trinkwasser

Reha:
nichts gemacht

Meine Maläste:
Extreme Übelkeit ab ca. 2 Uhr morgens; Kopfschwitzen; Muskelflattern; kein Stuhlgang; sehr trockene Nasenschleimhaut; eine Blasenentzündung kündigt sich an

Essen:
morgens: 3 V-Zwieback mit Butter, 1 V-Zwieback mit Käse; Kartoffel-, Zwiebel-, Zucchini-Pfanne mit Rührei; abends: Reis mit Huhn (Fertiggericht)

Getränke:
1,75 Liter Wasser; kein Kaffee

Geraucht:
nichts

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Freitag, 30.09.05 (Zyklus 3/6 - Tag 4)

Mir ist morgens übel. Nicht so schlimm wie gestern, aber eben übel. Ich kann mich nur zu wenig Essen überwinden.

An die Träume kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur ein Gefühl, mit dem das Bewusstsein aber nichts anfangen kann, kann ich noch aufrufen.

Aber eins ist klar, ich war gestern nach Jahren erstmals wieder des Lebens müde. Alles, was ich war und fühlte, ist weg. Total verschwommen, nicht mehr zu erinnern. Nichts passt mehr zu meinem jetzigen Zustand.
Schade, ich hatte vermutet, dass ich erst ab dem 5. Zyklus schlapp machte.
Fest steht also, dass ich nicht noch einen Tumor behandeln lassen kann. Okay, das habe ich gleich gesagt, aber innerlich doch ein wenig offen gelassen. Aber 1 Jahr Qualen ist verdammt lang und dann noch Jahre der Unsicherheit.
Wie machen das die Leute, die Jahr um Jahr so krank sind? Womit identifizieren sie sich, worauf richten sie sich aus?
Was glaube ich denn, dass ich nachher jahrzehntelang gesund und kraftvoll bin und nur ganz am Schluss süß und selig einschlafe? - Nein, das glaube ich nicht, aber hoffen tue ich's.
Was ist das also, jenseits der Identifikationen, die ich kenne?

Frauenarzt: Krankmeldung abholen

Die Krankenkasse schreibt mir, dass ich ab morgen nicht mehr versichert bin. Die spinnen ja wohl. "Terminsache" nennen die das. Kommt auch von einer anderen Geschäftsstelle als der, die für mich derzeit zuständig ist. Dort hatte man mir nämlich gesagt, dass alles automatisch weiterlaufe, ich müsse mich um nichts kümmern und mir keine Sorgen machen. - Soll das jetzt etwa der tolle Krebspatienten-Service sein, in dessen Genuss ich endlich komme?

Apropos Disease-Management-Programm, das ist wieder so ein Begriff wie Case-Management. (Disease=Krankheit; Management=Behandlung, Führung, Verwaltung). Was davon soll wohl verbessert werden, die Behandlung, die Führung oder die Verwaltung? Nun, wenn man es englisch ausdrückt, will man es sich wohl offen halten.
Was ich bisher darüber lese, hört sich an, als wären da verschiedene Ziele miteinander verstrickt. Man will die Verwaltung effizienter gestalten, für die Behandlungsschritte die S3-Richtlinien zum Maßstab machen, Kooperation und Koordination erproben. Einen Plan, wie man die Beteiligten auf Kurs hält, sehe ich nicht. - Also würde ich derzeit koordiniert und effizient zur Schlachtbank geführt. Nein danke. - Mein Tipp: Personal erst für ein Disease-Management ausbilden und dann die viele Knete für so ein Programm ausgeben.
Ich habe meine Teilnahme daran nicht unterschrieben. Die Erläuterungen dazu waren so unklar. Ich werde mal die 'tolle' KK-Hotline anrufen und erfragen, ob die mehr dazu sagen können.

Ich muss ganz viele Anträge fertig machen und abschicken: Folgeantrag Alg II; Mehrbedarf Krebs; Härtefonds Krebshilfe. Und ich muss meine Krankmeldungen an KK und AA senden und die Erstattung meiner Chemo-Zuzahlung von der KK fordern. Tja, und der KK schreiben, dass ich nach wie vor versichert bin und etliches kopieren.

Ich mache das alles, obwohl mir total übel ist und ich außerdem bei der Post in einer Menschenmenge stehen muss, obwohl ich keine Abwehrkräfte habe. Aber das Zeug ist dringend.

Unterwegs kriege ich auch noch  Muskelschwäche und Ganzkörperschmerzen. Mehrmals knicke ich fast weg. Als auch noch mein Kreislauf droht, schlapp zu machen, stelle ich mir vor, wie mich die Leute abtransportieren, bevor ich am Schalter war. Wie würde ich denen dann begreiflich machen können, dass mit mir 'nichts außergewöhnliches' ist und ich unbedingt zum Schalter muss?!

Schon während der Aktion habe ich totalen Hunger. Schön eigentlich, aber leider muss ich erst nach Hause und dort die Tablette nehmen, nach der ich erst 1 Std. später essen darf.

Ich verbringe die Wartezeit mit Einkaufen. Ich brauche Wasser und Obst ...

Ich esse kunterbunt durcheinander und habe dann erstmal Magenschmerzen.

Anschließend entscheide ich mich gegen TV und schreibe Tagebuch; denn immerhin ist mein Kopf jetzt mal klar.
Medikamente:
abgewandelte Begleitmedikation (2 x 20 mg Pantozol statt 1 x 40 mg); 1 x Vomex; Augentropfen; Mundpilzmedikament; Zitrone in's Trinkwasser

Reha:
Gymnastik + Dehnung

Meine Maläste:
Übelkeit; Kopfschwitzen; Muskelflattern; Stuhlgang nur mit Handschuh und Popeln; Muskelschwäche; Ganzkörperschmerzen; Mundpilz; trockene Nasenschleimhäute; trockene Augen-Bindehaut; extrem trockene Hände und Füße; extrem trockene Lippen

Essen:
morgens: 1 V-Zwieback mit Butter, 1 V-Zwieback mit Käse, 1/4 großer Apfel; mittags: V-Brot mit Salami172 großer Apfel; abends: Rote Beete, V-Brot mit Nutella, 1/2 Portion Grünkohl mit Mettwurst, 1/2 V-Brot mit Käse

Getränke:
12 Wasser; 3 Kaffee

Geraucht:
10 Zigaretten

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Samstag, 01.10.05 (Zyklus 3/6 - Tag 5)

Als erstes zur Apotheke, die Augentropfen holen, mit denen ich meine Bindehaut befeuchten soll. Die anderen schaden mittlerweile nämlich mehr als dass sie nützten. Die Tropfen kosten 5,90 Euro. Das geht ja noch. - Sie tun ihren Dienst.

Alles schmeckt scheiße.

Heute bin ich krank und bettlägerig, aber es ist nicht so furchtbar.

Mittags schlafe und träume ich.
In dem Traum ist das Symbol für das, womit ich mich identifiziere, ein roter (!) Taschen-Klappspiegel, der zugleich ein kleines Schminkkästchen ist. Sieht fast aus wie ein Klapp-Handy. - Tja, sowas doofes. - Auch wie ich in dem Traum dazu komme, daraus meine Kraft zu ziehen, ist nicht sehr schmeichelhaft.

 - Ich werde noch ausführlicher berichten. -

Jedenfalls ist das, was mich zentriert, an den Haaren herbei gezogen und somit offenbar beliebig. Negativ ausgedrückt, nehme ich egal was her, um mich zu zentrieren. Positiv ausgedrückt, kann ich mich mit Hilfe von egal was zentrieren. - Na, das ist doch was.

Die Nachbarn über mir haben Gäste. Sie sind so aufmerksam und nutzen nicht den Bereich über meinem Schlafzimmer.

Obwohl Samstag ist, kommt mal ein guter Film im TV.
Medikamente:
abgewandelte Begleitmedikation (1 x 20 mg Pantozol morgens statt 1 x 40 mg abends); neue Augentropfen (Feuchtigkeit); Mundpilzmedikament; 2x Zitrone in's Trinkwasser

Reha:
Gymnastik + Dehnung

Meine Maläste:
etwas Übelkeit; Geschmacksstörung; Muskelschwäche, schwere Knochen; Nierenschmerzen; Mattheit; extrem trockene Hände und Füße und Lippen; Kopfschwitzen; Muskelflattern; Stuhlgang nicht üblich aber okay

Essen:
morgens: 3 Streifen dickes V-Brot mit gek. Schinken, Salami, Pflaumenmus; mittags:
Müsli mit Joghurt, Milch, Banane, Honig, Milchzucker, Flohsamen; abends: Linseneintopf süß-sauer

Getränke:
1,75 Liter Wasser; 1 Kaffee

Geraucht:
6 Zigaretten

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Sonntag, 02.10.05 (Zyklus 3/6 - Tag 6)

Im Traum vor dem Aufwachen befinde ich mich als Patientin im Krankenhaus und werde entlassen. Mein akutes Leid ist vorüber. Ein Glück, das habe ich hinter mir, denke ich. Dann fällt mir aber auf, dass ich schwanger bin und bei der Geburt die großen Schmerzen ja erst noch kommen. - Dann stehe ich vor dem Gemeindehaus einer mir bekannten Kirche. Das kann man zu bestimmten Terminen mieten. Ich bin interessiert. Da sehe ich einen mir bekannten Feind dort was aushängen. Mir ist klar, dass er und seine Cliquen dann dort schon alles gemietet haben. Wir machen Smalltalk. Es hat 16 Interessenten gegeben. Er und sein Club und ein zweiter haben sich zusammen getan und gemietet.

Die Bettnachbarin aus meinem letzten Krankenhausaufenthalt ruft an und erkundigt sich nach meinem Befinden. Ich sage, dass die Begleitmedikation noch etwas besser abgestimmt werden muss. Sie sagt eindringlich, dass es aber nicht ganz weggehen wird. - Ihr selbst geht es auch schlecht. Ihr Bein heilt in Zeitlupe. Außerdem hat sie eine Bettlägrigkeitsgrippe (Fachbegriff vergessen) entwickelt und muss nun Antibiotika nehmen. "Ja, wir zwei tragen viel auf unseren Schultern, wir müssen leiden, für die anderen mit", sagt sie. - Mir gefällt die These, dass es eine feste Menge Leid gibt, die aber nur auf manche geschultert wird. Zugleich fallen mir die vielen höllisch Leidenden dieser Welt ein. "Man, das muss eine unglaubliche Menge sein, wenn so viele so unendlich viel leiden müssen", sage ich. "Ja, da sieht unseres schon gar nicht mehr so groß aus", sagt sie. "Und das schaffen wir zwei schon", ergänzt sie. - Ich frage sie, mich vergewissernd: "Was bist du nochmal, katholisch oder evangelisch?" "Katholisch", ruft sie voll überzeugtem Stolz aus. Und ich wäre gar nichts, hält sie fest, deshalb müsse sie für mich mit beten, weil ich es selbst ja nicht täte. "Das ist auch noch so eine Arbeit, die ich machen muss", scherzt sie.

Da das Thema Religiosität sich derzeit in meinen Alltag und in meine Träume drängt, beginne ich in dem Buch "Die fünf Weltreligionen", das von einem Herrn von Glasenapp geschrieben und mir von einer meiner Schwestern zum Verkauf bei eBay überlassen wurde, die Kapitel über "Die Religionen der geschichtlichen Gottesoffenbarung" zu lesen. - Wohlgemerkt, mich überkommt kein krebskrankes Frömmeln. Es ist nur so, dass ich seit jeher zutiefst religiös veranlagt bin und es mir scheint, als müsse ich mir jetzt mal angucken, wie meine aktuelle Religion denn nun überhaupt aussieht. Instinktiv lese ich dazu erstmal was über gängige Religionen. So klärt sich sicher der Begriff Religion zunächst mal für mich. Zum Beispiel.

Meine klavierspielende Nachbarin klingelt und erkundigt sich nach meinem Befinden. Sie ist sichtlich überrascht, wie krank ich aussehe. Sie fragt, ob sie denn in der nächsten Woche wieder spielen dürfe. Klar, sage ich, dann bin ich in der Regel nicht mehr bettlägerig. Sie gibt mir ihre Tel.-Nr., damit ich anrufen kann, wenn es doch stören sollte oder wenn ich akut Hilfe bräuchte. Ich bedanke mich für ihre Rücksichtnahme beim Besuch gestern. Ja sagt sie, das entsprechende Zimmer hätte sie abgeschlossen.

Ich rufe bei der krebskranken Frau an, die ich in der Uniklinik kennengelernt habe. Da geht niemand ran. Ich versuche es später erneut. Dann geht aber auch keiner ran.

Abends lese ich weiter in dem Buch. Das ist tatsächlich fesselnd informativ.

Dann will ich wissen, was die Nachwahl in Dresden ergeben und ggf. schon bewirkt hat. Zu dem Thema ist da aber offenbar die Luft raus. Ich kann mir nur ansehen, wie die interviewten SPD-Politiker Worte von sich geben, als fühlten sie sich noch stark, jedoch gucken, als seien sie am Boden zerstört.

In einem anderen Zusammenhang sagt Clement mal wieder was, wofür er geohrfeigt gehört. Es würde massenhaft Sozialmissbrauch betrieben. Die Hartz IV-Ausgaben betrügen bis heute 28. ... statt kalkulierter 14. ... Milliarden Euro. Es würde ab sofort scharfe Kontrollen geben. (Klar, noch 14 Milliarden für verstärkte Verwaltung ausgeben. Mein Spartipp: Langzeitarbeitslose dafür einsetzen.) Davon, dass die Ursachen jetzt analysiert und die Kalkulationen überprüft werden, sagt er nichts. Selbstverständlich nicht; denn die SPD sei unschuldig ruft er der Union und der Welt zu. Wie stünden sie sonst da. Auch sollen die Städte künftig anteilig mehr blechen. Deren Anteil sei nämlich zu niedrig kalkuliert worden. (Äh, hat der denen jetzt auch Sozialmissbrauch vorgeworfen oder hier einen eigenen Kalkulationsfehler zugegeben?) - Kurz zuvor sah ich noch den Propaganda-Spot "Du bist Deutschland". Die clementsche Verunglimpfung nun steht dem krass entgegen.
Nur wenn man von durchschnittlich ca. 900 Euro/Monat/pro Alg II-Haushalt ausgeht kommt man bei im Schnitt 1.800.000 Langzeitarbeitslosen (Quelle: statistisches Bundesamt) in 9 Monaten auf 14. ... Milliarden. Das wäre dann satt kalkuliert, wenn es um lauter Haushalte Alleinstehender ginge, ansonsten aber ist das Kappes. Ganz zu schweigen von der Zahl derer, die aufgrund einer versicherungspflichtigen Anstellung zwar nicht mehr als langzeitarbeitslos gelten, aber wegen Niedriglöhnen, die das Alg II-Niveau nicht erreichen, bezuschusst werden.

Das ärgert mich. Aber ich beschließe nach einer Weile, darauf zu hoffen, dass vielleicht doch noch der eine oder die andere JournalistIn die Aussage öffentlich hinterfragt und nicht einfach nur mitschreibt.

Später frage ich mich, von wann das Interview mit Clement wohl war, ob er das wohl schon vor Abschluss der Nachwahl rumposaunt hat, ohne Rücksicht auf den Verlust potentieller Wähler. Ob der wohl mitten während der Partei-verordnet verharmlosenden Wahlkampflächelei aus seinem Schafspelz gesprungen ist.
Medikamente:
Augentropfen zur Befeuchtung; Mundpilzmittel

Reha:


Meine Maläste:
Muskelschwäche, Schmerzen in der Nierengegend; extrem trockene Hände, Füße und Lippen; Geschmack noch etwas gestört; Kopfschwitzen; Muskelflattern; Stuhlgang fast normal

Essen:
morgens: 1 V-Brot mit Pflaumenmus; mittags: Linseneintopf; abends:

Getränke:
2 Liter Wasser; 2 Kaffee

Geraucht:

9 Zigaretten

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